23. September 2011

Leonera (Pablo Trapero) 8,03




Traperos Folgefilm zu Nacido y criado weist zu jenem sowohl Parallelen als auch Unterschiede auf. Wieder ist es die Studie eines Menschen, der aus seinem Leben gerissen wird, der danach zunächst einmal ganz alleine mit seinem Schmerz ist, und wieder ist es ein rauher, bisweilen sehr harter Film, der seine Hauptfigur jedoch nicht unter- bzw. eingehen lässt.

Diesmal steht eine junge Frau im Mittelpunkt, doch anders als im vorigen Film ist das "Leben vor dem großen Einschnitt" hier nicht zu sehen, der Auftakt ist gleich der große Knall. Die junge Frau muß ins Gefängnis bzw. in den Löwenkäfig ("Leonera" kann man anscheinend so oder so übersetzen).

Es gibt nun einige Unterschiede in Traperos stilistischer und formaler Herangehensweise. Hier ist alles deutlich nach "größerem Kino" ausgerichtet als im vorangegangenen Werk. Die Kamera liefert "schöne", kunstvoll ausgeleuchtete Bilder aus dem Knast, der Film ordnet sich hier auch deutlich in ein Genre ein, bewahrt sich aber neben der Möglichkeit zu kleinen Brüchen und Verspieltem auch stets seinen eigenen Ton, der vor allem schon dadurch entsteht, dass dies ein Gefängnis für Mütter und ihre Kinder, also ein spezielles Subsystem im System "Filmgefängnis", ist.

Ähnlich wie bei Un prophète werden wir von Beginn an die Hauptfigur gekettet, wir sind immer ganz nah dran und wissen nicht einmal ob sie schuldig oder unschuldig ist. Diese Frage wird aber ohnehin nicht die wichtigste im Film sein. Viel eher geht es darum ob und wie Julia es schafft, mit ihrem Schicksal - und ihrem zu Beginn noch ungeborenen Kind - klarzukommen. Trapero zeichnet dabei ein sehr ambivalentes Bild dieser Frau, die z.B. zunächst noch (eindringlich!) auf die ungeborene Frucht einprügelt und später verzweifelt versucht, ein enges Verhältnis zu ihrem Sohn aufzubauen.

Der Film ist vielschichtiger und ambitionierter als der sich zum Vergleich anbietende Vorgänger, dabei wirkt nicht alles immer stimmig, für dichte Spannung ist aber, auch dank des hervorragenden Spiels von Martina Gusman, immer gesorgt. Am Ende zwingt einen Julia noch einmal einen Schritt mitzugehen, bei dem man sie am liebsten zurückpfeifen würde, doch so blöde die Aktion in der tiefen Verzweiflung zunächst wirkt, so sehr gönnt der Regisseur seiner Hauptfigur mit einem meisterhaften, halb offenen Ende eine Art selbst erkämpfte Erlösung.

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