20. Juni 2011

Biutiful (Alejandro González Iñárritu) 5,45




Die Todes-Trilogie ist abgeschlossen, die Erwartungen in Iñárritus Folgefilm durchaus hoch. Spannend vor allem die Frage, wie ein Film ohne seinen ehemaligen Drehbuch(mit) schreiber Guillermo Arriaga aussieht. In Biutiful, in dem es dann ja doch wieder und sogar noch vordergründiger als in der Trilogie ums Sterben geht, fehlt die Komplexität der Vorfilme, Javier Bardem steht klar im Mittelpunkt, er ist schwer krebskrank und auch sonst verläuft sein Leben trotz zweier Kinder sehr schlecht. Seine Frau ist schwer psychisch krank (bipolare Störung), auch deshalb steht vor allem die Sorge um die Zukunft seiner Kinder deutlich im Blickpunkt des Films.

Iñárritu will, auch ohne Arriaga, nicht ganz auf diverse Verknüpfungen von Uxbal (Bardem) aus zu anderen Charakteren verzichten, deshalb gibt es da auch noch diese chinesischen Arbeiter, die schwer ausgebeutet werden (und die, durch die Mitschuld Uxbals tragisch enden), und einen jungen Senegalesen, einen Freund Uxbals, der dealt, daraufhin des Landes verwiesen wird und seine Frau und ihr Baby zurücklassen muß: diese „Nebenschauplätze“ wollte Iñárritu also unbedingt einbauen, doch es gibt diesmal keine komplexe Verstrickung: die großartigen Episodenfilme Amores Perros, 21 Grams und Babel wurden ja nicht nur positiv aufgenommen und kritisiert, allerdings waren sie doch toll angelegt und leidenschaftlich. Vor allem diese Leidenschaft ist es, die Biutiful fast komplett fehlt. Das an und für sich höchst tragische Geschehen zieht eher emotionslos vorbei und in dieser Zähheit ist der Film tatsächlich zu lang.

Iñárritu gelingen zu wenig dieser elektrisierenden Szenen, für die er berühmt geworden ist (man müsste sich nur einmal den fiebrigen 21 Gramm im Vergleich nochmal ansehen); am stärksten ist der Film in den positiven Familienszenen, in den ganz leisen Momenten oder in der beklemmendsten Minute, wenn Uxbal seine Kinder von seiner Frau wegbringt. Doch die positiven Szenen können immer nur ganz kurz dauern, denn klar ist: es geht auch im vierten Iñárritu vor allem um existenzielle Tragik, um unheilbare Pein; das Glück und die Hoffnung schimmern immer nur kurz durch, bevor sie wieder zerschmettert werden…

Am Ende wird der Film sehr emotional (was auch klar ist), doch Iñárritu vergeigt das Ende: anstatt mit einem beklemmenden Gefühl der Unsicherheit über die Zukunft der Familie zu schließen, gibt es noch diesen (Pro-) und Epilog, Elemente der Hoffnung auf ein Leben auf einer anderen Ebene: ist jemandem wie Uxbal, der im menschlichen Leben so ein tragisches Schicksal hatte, wenigstens nach dem irdischen Tod Positives erlaubt? Iñárritu lässt Uxbal ohnehin auch schon davor mit Toten kommunizieren(!!), am Ende schwebt für eine Sekunde ein schwarzer Körper an der Decke, das wirkt alles sehr schräg inmitten des düsteren Handkamerarealismus und doch ist es im Grunde so bedeutungslos, dass man es kaum wahrnimmt.

Sicher ist der Film sehr persönlich, man kann es auch positiv auslegen, dass Iñárritu einen Schritt zurückgeht von seinen exaltierten, globalisierten Filmen und dieses Quasi Ein-Personen Stück sehr reduziert angeht, doch die anderen Ebenen sind da noch immer, wie ein Geschwür, das nicht weggehen mag: bloß wirkt alles so unausgegoren. Liegt das tatsächlich (nur?) am Fehlen Arriagas?

Das stäkste an den bisherigen Filmen des Mexikaners war diese Intensität, das Beklemmende, doch Biutiful ist nichts mehr davon; sicher eine tolle Rolle für Bardem, oft verdrängten Themen wie Krebs bei Männern oder psychische Erkrankungen wird im „großen Kino“ Raum gegeben, doch leider alles egal: selten hat sich Sterben im Kino so belanglos angefühlt.

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