23. Januar 2011

A Single Man (Tom Ford) 8,29




Schwelgerische Zeitlupenbilder, klassische Musik, große Gesten und noch größere Gefühle. Das Filmdebüt eines Modedesigners, die Verfilmung eines klassischen Schwulenromans, überzeugt durch eine sehr eigene Atmosphäre. Und durch eine sehr tragische Geschichte zum Nachfühlen und Mitleiden. Ähnlich wie bei American Beauty (gleich der Beginn erinnert auch an jenen von Mendes' Meisterwerk) erleben wir aufgrund ernsthafter Selbstmordabsichten den möglicherweise letzten Tag im Leben eines Midlife-Mannes, und zwar eines Literaturprofessors, dessen große Liebe einst durch einen Autounfall getötet wurde. Colin Firth, für diese Rolle oscarnomininiert, spielt das tatsächlich sehr gut.

Fords Film ist nicht zu sentimental, die englische Herkunft und das englische Gehabe des Profs verleihen dem Werk Niveau und Witz. Das ist insofern besonders bemerkenswert, da oft die niederen Instinkte im Mittelpunkt stehen (und leiblichen Verlockungen durch Großaufnahmen gehuldigt wird): „Beneidest du nicht den Hund?“ „Warum?“ „Weil er sein ganzes Leben lang jedes Arschloch beschnüffeln kann, wie er es gerade möchte ohne sich um Konsequenzen scheren zu müssen“. Selbst so ein Dialog (nur aus dem Gedächtnis wiedergegeben) wirkt durch die edlen Schauspieler stilvoll.

Für einige Minuten wird es dann plötzlich sogar ausgesprochen komisch, als der Professor pingelig seinen Selbstmord übt und kurz danach die Fantasie hat, einen kleinen Jungen, der ihn ständig mit einer Spritzpistole „abknallt“, anzupinkeln; wie oft gibt es denn so etwas in einem oscarnominierten Film? Herrlich. Doch vergessen wir nicht: A Single Man ist vor allem eine Tragödie des unheilbar scheinenden Herzschmerzes und eines zutiefst lebensfeindlichen Einsamkeitsgefühls. Der Inszenierung von Tom Ford und den hervorragenden Schauspielern ist es zu verdanken, dass dabei ein Film entstand, der dennoch von positiven, komischen und zum Staunen verleitenden Szenen durchzogen ist, ohne dass jemals das Gefühl entsteht, seine Tragödie zu verlächerlichen oder zu verweichlichen. Das ist durchaus eine Kunst.

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