31. Januar 2011

Copie conforme (Abbas Kiarostami) 8,39




Pressekonferenz. Ein englischer Autor stellt sein Buch in Italien vor. Der Titel ist gleich wie jener des Films. "Beglaubigte Kopie". Die gar nicht so einfache Frage nach einem Original oder einer Kopie ist nicht nur Thema dieses Buches, sie wird den gesamten Film durchziehen. Eine Frau sitzt im Publikum, auch ihr Teenager-Sohn ist da. Die Verhältnisse sind unklar. Die Frau, eine Französin, die seit Jahren in Italien lebt, eine Kunstsammlerin, lässt sich vom Autor ein paar Bücher signieren. Sie nimmt ihn im Auto mit, die beiden unterhalten sich recht flüssig miteinander, über Kunst, über das Leben, über intime Dinge. Sie werden den Tag miteinander verbringen. In der Kirche, im Museum, in der schönen Landschaft der Toskana, in einem Restaurant und in einem Hotel. Sie werden flirten und streiten. Nach ungefähr einem Drittel des Films überrascht eine Szene in einer Bar, als die Frau mit der Wirtin über ihre gescheiterte Ehe spricht: Ist dieser Autor, von dem man bis dahin glaubte, sie kenne ihn kaum, etwa ihr (Ex-)Mann??

Kiarostamis Film ist auf mehreren Ebenen meisterlich. Sehr elegante Kamerafahrten und -einstellungen, philosophische Diskussionen, ein elaboriertes Spiel mit den verschiedenen Sprachen Englisch, Französisch und Italienisch. Und nicht zuletzt ist das gesamte Werk ungemein rätselhaft, faszinierend bis über den Abspann hinaus, auf spielerische Art und Weise. Binoche, mit der gesamten Bandbreite zwischen Glück und Frust, und der kühle, etwas arrogant spielende Shimell tragen den Film fast die gesamte Zeit über zu zweit. Sie könnten ein Paar sein, das bereits bittere Zeiten erlebt hat und nun wieder zueinander findet. Oder auch nicht mehr miteinander kann. Oder aber der Autor nimmt nur spontan, spielerisch die Rolle einer Kopie des Ehemannes ein - ein hochintellektuelles Balzspiel sozusagen.

Dass dies alles, von den kunstvoll arrangierten Bildern bis zu den teils abgehobenen Gesprächen nicht zu kunstbeflissen und sophisticated wirkt (was nämlich zwischendurch passiert), sondern in Summe intelligentes und unterhaltsames Vergnügen bereitet, ist eine absolute Meisterleistung des berühmten iranischen Filmemachers (von dem ich zuvor noch nie einen Film gesehen hatte) und seiner Darsteller. Copie conforme ist eine Art Meta-Film, vielleicht ein kühles Experiment (wie manche Kritiker bemängelten), das jedoch vor allem von Binoche enorm mit Leben gefüllt wird. Und es geht letztlich ja doch um die intensivsten Gefühle, um die wichtigsten Fragen: nach der dauerhaften Liebe und dem dauerhaften Miteinander. So verbindet Kiarostamis Film auf selten leichtfüßige Weise schwierig zu entschlüsselndes Kunstkino, sog. mindfuck und unmittelbares Gefühlskino zu einem faszinierenden, so höchstwahrscheinlich noch nicht dagewesenen Ganzen.

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