15. Oktober 2010

57000 km entre nous (Delphine Kreuter) 6,72




Die Kamera ist immer an. Interessierte, so es sie wirklich geben sollte, über das Internet ständig live dabei. Eine Familie inszeniert sich selbst und für jeden zugänglich – willkommen in der neuen, schönen Welt!

Nun hat diese Familie in Kreuters irritierendem, zunächst sehr kaltem und leicht verstörenden Film jedoch kaum etwas Sympathisches, etwas im klassischen Sinne „Sehenswertes“ an sich. Ganz im Gegenteil, unsympathische, hässliche, arge Leute bevölkern dieses kleine Universum, zumindest empfindet man so, wenn man anfänglich ganz automatisch die Charaktere einzuordnen versucht, was bei dem fragmentarischen Stil der Regisseurin zunächst enorm schwer fällt. Diese schwierig zu verkraftende Kälte wird durch das vorliegende Filmposter übrigens bereits recht gut repräsentiert.

Mit der Zeit findet man sich etwas besser zurecht, und auch die eine oder andere Person (vor allem die zunehmend im Mittelpunkt stehende, ziemlich schräge Teenagerin Nat) wird greifbarer und der Film doch sehens- und sogar ein Stück liebenswerter; es entsteht gar so etwas wie Konventionalität, auf inhaltlicher Ebene. Bis dahin muß der formale Wahnsinn erst einmal durchgestanden werden.

Im Versuch, eine gewisse Kälte und fast schon ekelhafte Aspekte der modernen Gesellschaft (etwa Einsamkeit und emotionale Gleichgültigkeit in einer nach außen intakten Familie, Kommunikation und Ausleben von Perversionen über moderne Medien) mit experimentellen filmischen Äquivalenten zu beschreiben, erinnert Zwischen uns das Universum ein wenig an Lukas Moodyssons exorbitant verstörenden A Hole in my Heart, die geniale Intensität und kreative Klasse des angesprochenen Films wird hier aber nie erreicht.

Dennoch wird Kreuters Werk gegen Ende immer interessanter, fast schon poetisch. Und das obwohl die kleine, süße Nat als Identifikationsperson für den Zuschauer immer wieder auch ungewöhnliche, kontroverse Aktionen setzt und damit dieses ständig vorherrschende Unbequeme im Film hält. 57000 Kilometer zwischen uns ist auch ein sehr offenes Werk und beschäftigt sofort mit dem abrupt einsetzenden Abspann. Ein schwieriger, mühsamer, seltsamer, vielleicht manchmal gar Hass evozierender, nicht gänzlich gelungener und doch irgendwie auch ein bisschen schöner Film.

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